Sexueller Missbrauch im Internet

Ich habe gerade bei ECPAT folgenden Text gelesen, den ich sehr wichtig finde:

Bei der derzeitigen Diskussion um Access-Blocking gerät der diesen Filmen und Bildern zugrunde liegende sexuelle Missbrauch, die sexuelle Gewalt in Vergessenheit. Es handelt sich bei den meisten in Chats, Foren oder im Web gehandelten Fotos und Filmen um den bildlich dokumentierten sexuellen Missbrauch von Minderjährigen, die zumeist noch ohne Hilfe und Unterstützung allein gelassen werden. Auch Kinder, die mit diesen Bildern konfrontiert werden, benötigen Schutz. Für ECPAT ist dabei Accessblocking eine Maßnahme eines gesamten Maßnahmenpaketes. Dies jedoch auf den Weg zu bringen, ist eine wichtige Aufgabe, die ein gemeinsames Handeln notwendig macht.

Dazu möchte ich folgendes sagen. Ich lehne Internetsperren kategorisch ab! Aber ich möchte mir auch nicht die rosarote Brille aufsetzen und versuchen das Thema sexuellen Missbrauch zu beschwichtigen oder so zu tun alsob dies kein Problem wäre! Ganz im Gegenteil!

Wenn ich Artikel lese wie

stimmt mich dies schon sehr sehr nachdenklich. Um so wichtiger ist es aber auch objektiv und mit Fakten für eine effektive Bekämpfung solcher Missstände einzutreten. Hier muss dann einfach auch Kritik an der einen oder anderen Kinderschutzorganisation erlaubt sein.

Ein Land wie Indien hat sicherlich noch einigen Aufholbedarf, wenn es um Kinderrechte geht (Hintergrundbericht von UNICEF). Aber dies bedeutet in der Praxis noch lange nicht das in diesem Land massenhaft Kinderpornographie ins Internet gestellt wird. Die Konsumenten von Kinderpornographie sitzen hier bei uns in Deutschland! Und deshalb stehen auch die Server die dieses Material anbieten in den typischen Industrieländern! Die Auswertungen der Sperrlisten in anderen Ländern belegen dies sehr deutlich.

Diese Argumente kamen gleich zu Beginn der Diskussion um das Thema Internetsperren. Was ich nicht verstehen kann ist, warum bis heute keine der befürwortenden Kinderschutzorganisationen auf diese Argumente eingegangen ist! Seit ein paar Tagen ist bekannt das ein wichtiges Argument der Sperrbefürworter wie eine Seifenblase zerplatzt ist und was hört man – nichts.

Wollen wir wirklich die Diskussion über sexuellen Missbrauch im Internet die nächsten Jahre unter dem Kontext der Internetsperren führen? Ich finde es wird Zeit das einige Organisationen schnellstens den Kurs ändern! Mir und vielen anderen ist das Thema Internetsperren sehr wichtig und solange sexueller Missbrauch als Argument für Internetsperren herhalten muss, kann und will ich beides nicht voneinander trennen!

Zum Schluss möchte ich auf einen sehr guten Artikel der Gewerkschaft der Polizei – Bundeskriminalamt mit dem Titel “Kinderpornografie-Stopp oder Warum befürchten Bürger, das BKA würde zu einer Internet-Zensur-Behörde?” verweisen.

Schlagzeile des Tages: Familienministerin bedauert Kinderporno-Fauxpas mit Indien

Steht gerade auf heise.de: Familienministerin bedauert Kinderporno-Fauxpas mit Indien.

Leute sieht so ehrliche Politik aus? Zuerst werden schlechte Gesetze mit angeblich wasserdichten Argumenten begründet und ein paar Tage später stellt sich raus, das man sich diese Argumente selber zusammengereimt hat? Noch unglaubwürdiger geht es wirklich nicht mehr!

Das Problem an dieser Sache ist nur, es interessiert nicht wirklich jemanden! Unser hochgelobter “Qualitaetsjournalismus” sorgt ja dafür das die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung davon garnichts mitbekommt. Na prima!

Die bösen Server im Ausland

Die Diskussion um die Internetsperren wird seit Beginn von dem Argument der Server im Ausland begleitet. Seitdem wird und wurde über dieses Thema viel geschrieben, soviel das ich schon langsam den Überblick verliere. Deshalb hier nochmals der Reihe nach:

  1. Auslöser der gesamten Diskussion war sehr wahrscheinlich eine Studie der Organisation The National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC). Diese Studie enthält eine Länderliste in der aufgeführt wird ob sich Kinderpornographie in einem Land strafrechtlich verfolgen lässt.
  2. Diese Studie taucht dann Anfang des Jahres beim BMFSFJ als Quelle und Argument für die Verträge mit den ISPs auf.
  3. Dirk Landau hat schon Anfang des Jahres! kritisch über diese Studie geschrieben.
  4. Ebenfalls im Januar gab es im scusiblog eine grafische Übersicht zur den Sperrlisten aus anderen Europäischen Ländern.
  5. MOGIS hat im März ebenfalls eine ähnliche Untersuchung veröffentlicht.
  6. Das ein Löschen von Kinderpornografischen Seiten möglich ist zeigte dann im März die Organisation CareChild: Internetzensur: CareChild-Versuch blamiert Deutsche Politiker.
  7. Im Mai löscht dann Alvar Freude: Löschen statt verstecken: Es funktioniert!.
  8. Ende Juni hat auch MOGIS gelöscht: Versuch einer Auflösung ..
  9. Offiziell hat die Bundesregierung keine Erkenntnisse über ausländische Server: ODEM.blog – Die Bundesregierung hat keine Kenntnis, will aber sperren.
  10. Im Juni kommt vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages noch das Kurzgutachten zur Frage ob das BKA Abuse Mails verschicken kann.

Soweit so gut! Ein umsichtiger Politiker müsste also schnell erkennen, das er sich mit diesem Argument auf ziemlich dünnes Eis begibt.

Mitte Juni bricht dann Frau Dr. Krogmann als erste in Kasachstan ins Eis ein. (netzpolitik.org: “Frau Krogmann und das wilde Kasachstan” und “Liebe Frau Krogmann, das mit Kasachstan habe ich geklärt!”. Gut sowas kann ja mal passieren, aber spätestens jetzt müsste jedem klar sein, das man im Sommer besser nicht aufs Eis geht!

Anfang Juli macht Ursula von der Leyen aber munter weiter (netzpolitik.org: “Länder zählen mit Zensursula” und “Oops, she did it again: Zensursula und die 95 KiPo-Schurkenstaaten”). Schwam drüber, jeder darf mal Fehler machen.

Gerade mal 9 Tage später ist Frau von der Leyen aber schon wieder flink auf dem Eis unterwegs! Dieses Mal muß Indien dran glauben! Indien steht in der Tat auf der Liste die ich im ersten Punkt genannt hatte. Nur offenbar ist diese Liste eben wirklich nicht gut recherchiert und Frau von der Leyen damit völlig falsch informiert:

Also da kann ich mich wirklich nur noch der “Rücktrittsbitte an Frau von der Leyen” von Twister anschließen.

SPD vs. Internet-Community

Hui, der Konflikt zwischen SPD und Internet-Community entwickelt sich ja immer mehr zu einem echten Mehrfronten-Krieg. Da werden dann schon mal die Postfächer von SPD Politikern nach der Art eines Arthur Harris mit Mails eingedeckt. Und der Wirtschaftsreferent der SPD-Bundestagsfraktion serviert einen gewissen “Turbo Tux” aus dem Heise-Forum mit Psyops-Methoden öffentlich ab.

Liebe SPD, so wie ihr mit Eurem Panzer durchs Gelände fahrt spritzt die Scheisse bis zur Decke! Online-Wahlkampf ala Barack Obama sieht anderes aus…

Auf der anderen Seite müssen wir als Internet-Community auch erkennen, das man durch Beschimpfungen niemanden überzeugt. Alvar Freunde hat mit seiner Forderung nach einem Ende von Politiker-Beleidigungen recht. Wir haben eigentlich alle fachlichen Argumente auf unserer Seite. Wenn wir uns aber zu einer oberflächlichen Diskussion hinreisen lassen werden wir unglaubwürdig. Ich weiss das ist nicht einfach! Ich habe wie alle anderen auch eine scheiss Wut im Bauch! Wir können uns im Internet noch lange selbst beweihräuchern und auf Politiker einbaschen, dadurch wird nix besser.

Gut, mit Politiker zu sprechen bringt jetzt kurz vor der Bundestagswahl wahrscheinlich nicht mehr sehr viel. Da halte ich es wie die Dakota-Indianer “Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab”.

Ich denke wir müssen jetzt raus und mit Leuten sprechen und unsere Überzeugung rüberbringen. Wir haben unsere eigene Partei, jetzt geht es nur noch darum das möglichst viele Menschen diese auch wählen oder zumindest erstmal auf das Problem aufmerksam gemacht werden!

Das Wort zum Sonntag – die Kirche im Dorf lassen

Für viele Politiker ist es offenbar nicht nachvollziehbar warum die Internet-Community so heftig auf “das bischen” Internetsperren reagiert. So mancher Politiker frägt sich wohl warum diese “Internet-Spinner” nicht langsam mal wieder ruhig werden und “die Kirche im Dorf lassen”. So schreibt der überraschte Dr. Raabe in einer zweiten Pressemitteilung:

Die leider überwiegend aggressiven und teils hässlichen Reaktionen auf meine Pressemitteilung zeigen mir, dass sich einige Schreiber in einer virtuellen Parallelwelt verloren haben. Dies macht mir in der Tat Sorge. Wenn mir Menschen aus allen Teilen Deutschlands auf eine Pressemitteilung mit lokalen Bezug antworten ohne überhaupt die Ursprungspressemitteilung des Main-Kinzig-Piratenverbandes zu kennen, Teile aus dem Zusammenhang reißen und in allen möglichen Foren zerlegen und kommentieren, dann frage ich mich schon, um was es bei der Auseinandersetzung bei einigen wirklich geht. Für viele scheint das Internet zu „ihrer Welt“ geworden zu sein, in der alles erlaubt und jeder Eingriff von außen eine feindliche Bedrohung ist, die mit aller Macht bekämpft werden muss.

Ich möchte versuchen eine Erklärung für diese – zugegeben – heftigen und breit angelegten Reaktionen zu liefern.

Als IT-Berater war ich bisher, wie viele anderen Menschen in diesem Bereich auch, nicht wirklich politisch aktiv. In den letzten Jahren wurde die Politik mit Themen wie GEZ, Biometrie, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner und dem Hackerparagraph für uns aber immer unverständlicher. Bei all diesen Diskussionen wurde für uns immer offensichtlicher das die Mehrzahl der Politiker nicht wirklich wusste über was sie da eigentlich sprechen.

Wenn Frau Dr. Beate Merk (CSU) in einer Pressemitteilung vom 17.06.2009 zum Thema Kinderpornographie schreibt:

Auf Drängen der SPD dürfen die Nutzerdaten, die bei den Sperrmaßnahmen erhoben
werden, nun doch nicht an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden.
Dazu Ministerin Merk: “Diese Einschränkung ist sehr unbefriedigend und nicht
nachvollziehbar. Wichtige Ansatzpunkte für weitergehende Ermittlungen
gehen so verloren. Die Sorge, dass unschuldige Internetnutzer einer ziellosen
Strafverfolgung ausgesetzt werden, erscheint mir nicht begründet. …
Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln mit Augenmaß und können sehr wohl
zwischen dem zufälligen Surfer und dem kriminellen Abnehmer
unterscheiden.

Denke ich sofort an meinen Mail-Server und den dort eingesetzten SpamAssassin. Wenn ich z.B. nachfolgende Zeilen im Modul Mail::SpamAssassin::Plugin::DNSEval sehe und dann Frau Dr. Merk im Bundesrat höre schnürrt sich mir der Magen zusammen und mir wird schlecht!


sub check_dns_sender {
...
dbg("dns: checking A and MX for host $host");
$pms->do_dns_lookup($rule, 'A', $host);
$pms->do_dns_lookup($rule, 'MX', $host);
...
}

Bei den oben genannten Themen hat sich auch gezeigt das sie von der breiten Öffentlichkeit überhaupt nicht wahrgenommen werden. Vieles was in der Internet-Community hohe Wellen schlägt wird in den Mainstream-Medien überhaupt nicht erwähnt. Eine breit angelegte Diskussion, mit allen gesellschaftlichen Gruppen, findet bei diesen Themen also einfach nicht statt. Und so kommt es das wir als IT-Profis plötzlich mit der Bekämpfung von Kinderpornographie oder der Psyche von Amokläufern alleine im Regen stehen.

Von der Politik wird eine wirklich offene Sachdiskussion mit der Internet-Community geblockt und so kommt es, das plötzlich SysAdmins, DBAs, Coder oder Gamer auf Berufs-Politiker und MdBs treffen. Das es hierbei zu Missverständnissen und Irritationen auf beiden Seiten kommt ist für mich nur zu verständlich!

Meine Bitte zum Schluß:
Nehmt uns endlich ernst und besucht einen Computerkurs!