Das Wort zum Sonntag – die Kirche im Dorf lassen

Für viele Politiker ist es offenbar nicht nachvollziehbar warum die Internet-Community so heftig auf “das bischen” Internetsperren reagiert. So mancher Politiker frägt sich wohl warum diese “Internet-Spinner” nicht langsam mal wieder ruhig werden und “die Kirche im Dorf lassen”. So schreibt der überraschte Dr. Raabe in einer zweiten Pressemitteilung:

Die leider überwiegend aggressiven und teils hässlichen Reaktionen auf meine Pressemitteilung zeigen mir, dass sich einige Schreiber in einer virtuellen Parallelwelt verloren haben. Dies macht mir in der Tat Sorge. Wenn mir Menschen aus allen Teilen Deutschlands auf eine Pressemitteilung mit lokalen Bezug antworten ohne überhaupt die Ursprungspressemitteilung des Main-Kinzig-Piratenverbandes zu kennen, Teile aus dem Zusammenhang reißen und in allen möglichen Foren zerlegen und kommentieren, dann frage ich mich schon, um was es bei der Auseinandersetzung bei einigen wirklich geht. Für viele scheint das Internet zu „ihrer Welt“ geworden zu sein, in der alles erlaubt und jeder Eingriff von außen eine feindliche Bedrohung ist, die mit aller Macht bekämpft werden muss.

Ich möchte versuchen eine Erklärung für diese – zugegeben – heftigen und breit angelegten Reaktionen zu liefern.

Als IT-Berater war ich bisher, wie viele anderen Menschen in diesem Bereich auch, nicht wirklich politisch aktiv. In den letzten Jahren wurde die Politik mit Themen wie GEZ, Biometrie, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner und dem Hackerparagraph für uns aber immer unverständlicher. Bei all diesen Diskussionen wurde für uns immer offensichtlicher das die Mehrzahl der Politiker nicht wirklich wusste über was sie da eigentlich sprechen.

Wenn Frau Dr. Beate Merk (CSU) in einer Pressemitteilung vom 17.06.2009 zum Thema Kinderpornographie schreibt:

Auf Drängen der SPD dürfen die Nutzerdaten, die bei den Sperrmaßnahmen erhoben
werden, nun doch nicht an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden.
Dazu Ministerin Merk: “Diese Einschränkung ist sehr unbefriedigend und nicht
nachvollziehbar. Wichtige Ansatzpunkte für weitergehende Ermittlungen
gehen so verloren. Die Sorge, dass unschuldige Internetnutzer einer ziellosen
Strafverfolgung ausgesetzt werden, erscheint mir nicht begründet. …
Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln mit Augenmaß und können sehr wohl
zwischen dem zufälligen Surfer und dem kriminellen Abnehmer
unterscheiden.

Denke ich sofort an meinen Mail-Server und den dort eingesetzten SpamAssassin. Wenn ich z.B. nachfolgende Zeilen im Modul Mail::SpamAssassin::Plugin::DNSEval sehe und dann Frau Dr. Merk im Bundesrat höre schnürrt sich mir der Magen zusammen und mir wird schlecht!


sub check_dns_sender {
...
dbg("dns: checking A and MX for host $host");
$pms->do_dns_lookup($rule, 'A', $host);
$pms->do_dns_lookup($rule, 'MX', $host);
...
}

Bei den oben genannten Themen hat sich auch gezeigt das sie von der breiten Öffentlichkeit überhaupt nicht wahrgenommen werden. Vieles was in der Internet-Community hohe Wellen schlägt wird in den Mainstream-Medien überhaupt nicht erwähnt. Eine breit angelegte Diskussion, mit allen gesellschaftlichen Gruppen, findet bei diesen Themen also einfach nicht statt. Und so kommt es das wir als IT-Profis plötzlich mit der Bekämpfung von Kinderpornographie oder der Psyche von Amokläufern alleine im Regen stehen.

Von der Politik wird eine wirklich offene Sachdiskussion mit der Internet-Community geblockt und so kommt es, das plötzlich SysAdmins, DBAs, Coder oder Gamer auf Berufs-Politiker und MdBs treffen. Das es hierbei zu Missverständnissen und Irritationen auf beiden Seiten kommt ist für mich nur zu verständlich!

Meine Bitte zum Schluß:
Nehmt uns endlich ernst und besucht einen Computerkurs!

Meine Fragen an Herrn Dr. Raabe

Gerade habe ich folgende Mail von abgeordnetenwatch.de erhalten:

zur Zeit besteht ein reges Interesse an der von Ihnen beschriebenen
Problematik, besonders auch auf abgeordnetenwatch.de. Daher bitten wir Sie
um Verständnis dafür, dass wir vorerst nur eine Frage an Herrn Raabe zum
Thema zulassen. Die Antwort zur bereits gestellten Frage können Sie im
Profil von Herrn Raabe abonnieren, indem Sie auf den Link “Benachrichtigen,
wenn eine Antwort zu dieser Frage vorliegt” klicken. Sobald die Antwort
eingetroffen ist, werden Sie per eMail benachrichtigt.

Wir werden Herrn Raabe Ihre Nachricht aber zur Kenntnisnahme weiterleiten
(aus Datenschutzgründen ohne Ihre e-Mail-Adresse).

Wir hoffen auf Ihr Verständnis und darauf, dass Sie abgeordnetenwatch.de
weiterhin nutzen. Wenn Sie Fragen zur Moderationsentscheidung haben, dann
bitten wir um eine kurze Rückmeldung an moderation@abgeordnetenwatch.de

ok, gut, d.h. ein Abgeordneter kann eine Diskussion also auch dadurch abdämpfen indem er die Fragen einfach ein bischen “langsamer” beantwortet. Dann gibts meine Fragen einfach hier für alle zum Mitlesen:

Sehr geehrter Herr Dr. Raabe,

ich habe gestern Ihre Pressemitteilung (www.sascha-raabe.de) zum Thema Internetsperren und Gründung des Kreisverbandes Main-Kinzig der Piratenpartei gelesen. Hierzu würde ich Ihnen gerne zwei Fragen stellen:

1. Sie schreiben
“… Ich kann nicht verstehen, wie bei einem so ernsten Thema wie Kinderpornographie die Leidtragenden völlig außer Acht gelassen werden …”

Nun ist es ja so das sich auch Vereine von Missbrauchsopfern klar gegen das Zugangserschwerungsgesetz ausgesprochen haben. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle Trotz Allem e.V. www.trotzallem.de und MissbrauchsOpfer Gegen InternetSperren – MOGIS mogis.wordpress.com

Wie positionieren Sie sich zu diesen Vereinen?

2. “… Überhaupt finde ich es anmaßend, wenn die Piratenpartei sich als Vertreter der gesamten Internet-Community aufspielt …”

Ist es nicht vielmehr so das die Piratenpartei eine von vielen Organisationen ist die sich derzeit massiv gegen dieses Gesetz aussprechen? Als Gegenbeispiel möchte ich mich auf Ihre eigene Partei, die SPD, beschränken und auf den Online-Beirat Ihrer Partei (netzpolitik.org) und einen weiteren Brief von der SPD (www.bjoern-boehning.de) für die SPD verlinken.

Wie stehen Sie den dazu?

Mit freundlichen Grüßen
Frank Berger

Die offenen Fragen an Herrn Dr. Raabe gibts übrigens hier, ob er die vor der Wahl wohl noch beantwortet?

An der Stelle vielleicht auf einen super Artikel im Handeslblatt: Piraten jagen Partei-Schnarchnasen.

Und zum Schluss noch meine Antwort an abgeordnetenwatch.de:

Sehr geehrte Damen und Herren,

diese Haltung kann ich so nicht nachvollziehen! Warum lassen Sie nur eine Frage pro Thema zu? Demokratie lebt auch von einer vielschichtigen Kritik! Wer wie Herr Dr. Raabe ein Thema derart populistisch und sachlich falsch in einer Pressemittelung darstellt, der muss sich dann auch mehr als eine Frage gefallen lassen!

Aus diesem Grund stelle ich diesen Sachverhalt auch in meinem Blog (www.scheiss-software.de) dar.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Berger

Und weil ich gerade so sauer bin, hier nochmal ein Link mit dem “Die SPD in Sturm aus Scheiße schicken” Absatztitel zum Thema “Sie werden sich wünschen, wir wären politikverdrossen” bei Spiegel-Online. Und damit ich jetzt kein Magengeschwür bekommen gibts zum wieder runterkommen noch etwas Musik, Youtube-Video: https://youtu.be/8vFL0QWxugI.

[Update 10.07.2009 – 20:37] Auf abgeordnetenwatch.de ist gerade folgende Antwort bei Herr Dr. Raabe aufgetaucht:

Sehr geehrter Herr ,

bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Dr. Sascha Raabe MdB bei der Vielzahl der Schreiben zu diesem Thema nicht individuell antworten kann.

Eine persönliche Stellungnahme hierzu finden Sie auf seiner Homepage www.sascha-raaabe.de.

Mit freundlichen Grüßen
Diana Labschies

Hier noch der Link zur neuesten Pressemitteilung von Dr. Raabe.

Meine Meinung dazu: Die Piratenpartei hat in der Tat Potential für 5%!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Die Wahrheit stirbt im Wahlkampf zuerst

Ja langsam merkt man das wir uns im Wahlkampf befinden. Da wird in Sachen “Killerspiele” in Karlsdorf-Neuthard schon mal die geballte Fachkompetenz von Polizei und Schulleitern herangezogen um eine LAN-Party für Erwachsene platzen zu lassen.

Ich kann dazu nur sagen: Solange wir auf diesem Niveau diskutieren wird kein Amoklauf verhindert! Im übrigen kann ich mich nur der Stellungnahme von Herrn Tauss zu diesem Thema anschließen.

Die Krönung von heute kommt allerdings von Dr. Raabe (SPD), hier möchte ich aus seiner Pressemitteilung zitieren:

Ich kann nicht verstehen, wie bei einem so ernsten Thema wie Kinderpornographie die Leidtragenden völlig außer Acht gelassen werden.

Das machen Kritiker von Internetsperren überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil! In der Diskussion um die Internetsperren geht es vorrangig darum das es sich eben nicht um ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Kinderpornographie handelt. Da Herr Dr. Raabe auf die Opfer verwiesen hat, möchte ich an dieser stelle nochmals auf Trotz Allem e.V. und MissbrauchsOpfer Gegen InternetSperren – MOGIS verlinken.

.. Da kinderpornographische Seiten, die von ausländischen Servern angeboten werden, aber nicht von Deutschland aus gelöscht werden können bzw. dürfen, ist im Gesetz vorgesehen, das erst die Behörden des jeweiligen Landes kontaktiert und aufgefordert werden für eine Löschung der Seite zu sorgen.

Und schon wieder sind wir bei den Servern im Ausland. Die ausländischen Behörden werden bereits heute ohne dieses Gesetz informiert. Zu diesem kurzen Zitat möchte ich gleich mehrere Links angeben:

  • Wie das BKA aktuell vorgeht und welche Aufgaben es überhaupt hat, kann man gut in der Antwort auf ein kleine Anfrage der FDP nachlesen.
  • Herr Dr. Raabe spricht davon das entsprechende Seiten nicht von Deutschland aus gelöscht werden dürfen. Evtl. spielt er damit auf ein Argument aus der Diskussion um die Internetsperren an, nach dem das BKA aus völkerrechtlichen Gründen keine sogenannten “Abuse”-Mails an ausländische Provider verschicken dürfe. Dazu gibt es seit ein paar Wochen das Gutachten “Zulässigkeit des Versendens von sog. „abuse Emails“ durch das Bundeskriminalamt an außereuropäische Host-Provider” (WD 3 – 3000 – 211/09) (Quellen: netzpolitik.org und heise.de)
  • Letzter Punkt zu diesem Satz, wer sich das ZugErschwG durchliest merkt schnell wie schwammig der Punkt “Löschen statt Sperren” im Gesetz eingebracht wurde.

.. Wir können es doch als Gesellschaft nicht hinnehmen, das – so wie es die Piratenpartei fordert- Jugendliche und Erwachsene ungehindert Zugang zu Kinderpornos im Internet haben können ..

Man kann ja zur Piratenpartei stehen wie man will, aber dies hat sie so nun wirklich nicht gefordert!

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.

Stimmt! War es auch noch nie!