Komplexität und Wahlkampf 2.0

Wir leben in einer verdammt komplexen Welt, das war mir schon immer klar. Als IT-Berater habe ich mich unter anderem auf Cluster-Systeme spezialisiert, dort erlebe ich es immer wieder wie Kunden mit der Komplexität von Cluster-Systemen baden gehen – von wegen Performance und Hochverfügbarkeit. Bei einigen Kunden kann dann das schicke neue Cluster-System nicht mal mit den 10 Jahre alten System das zuvor im Einsatz war mithalten. Politik und unsere Gesellschaft an und für sich sich ebenfalls komplex. Wir leben in einer globalisierten und eng gekoppelten Welt, dadurch erfährt auch die Komplexität eine bisher nie dagewesene Dynamik.

Anders kann ich mir die Äusserungen von Ute Vogt (Landesvorsitzende der SPD Baden-Württemberg) im Interview mit der Zeitung Mannheimer Morgen (Quelle: “Mehr um die Menschen kümmern“) nicht erklären. Dort ist zu lesen:

Frage: Die SPD erboste die junge Internet-Gemeinde mit dem Gesetz gegen Kinderpornografie. Ein Fehler?

Vogt: Ich selbst bedauere es, dass wir diesem Gesetz in der Großen Koalition zugestimmt haben. Viele Abgeordnete haben sich offenbar noch nicht intensiv genug mit dem Thema befasst und wissen nicht, inwieweit Internet-Sperren zielführend sind – und inwieweit eben nicht.

Dies finde ich ziemlich schockierend. Dieses Thema wurde – unter anderem aufgrund der Online-Petition – im Vorfeld doch sehr breit getreten, die Argumente gegen die Internetsperren wurden im Internet rauf und runter gebetet. Was mich aber wirklich schockiert, das Thema Internetsperren ist meiner Meinung nach vom Komplexitätsgrad her gesehen noch halbwegs überschaubar. Nehmen wir mal ein wirklich komplexes Thema wie z.B. Afganistan. Wenn unsere Abgeordnete im Bundestag hier genauso wenig Ahnung haben wie bei den Internetsperren ist es für mich kein Wunder das der Aufbau im Sand stecken bleiben muss!

In der Süddeutschen Zeitung steht das ähnlich: Kinderpornographie – Simple Lösungen für ein komplexes Problem – “Wem hilft die Internetzensur?”.

Ok, ich bin ehrlich, ich wusste bis zur Finanzkrise nicht was man unter einem Zinstender versteht. Warum versucht eigentlich keine Partei unser Finanzsystem zu erklären? Man hört viel von bösen Banken und den bösen Manager-Boni. Aber wo liegen die wirklichen Probleme? Es gibt reale Probleme, die Mehrzahl der Politiker setzt hier aber nur Meinungen dagegen. Genau das ist falsch! Die Debatten wie sie heute im Bundestag geführt werden sind viel zu oberflächlich um wirklich Probleme lösen zu können. Hier bringt gerade die Piratenpartei neue Ansätze (z.B. ein offenes Wiki) wie sich vielleicht zukünftig komplexe Themen strukturieren und Lösungen erarbeiten lassen.